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04.: Ironman Europe Roth DNF „Ach so läuft das hier!“

Im Nachhinein betrachtet war Roth die 1. große Wende: und zwar zum schlechten hin. Bis dahin lief’s im Großen und Ganzen gut und ich war noch guter Dinge deutlich schneller werden zu können, die Umfänge nahmen immer noch zu, die Ergebnisse auf kürzeren Distanzen waren auch ordentlich und Windschattenfahren kannte ich nur von den Ligarennen auf der Kurzdistanz.

Der Trainingsumfang im 1. Halbjahr betrug 513h, dazu war ich auch noch ständig auf irgendwelchen Wettkämpfen unterwegs, in erster Linie kleine Läufe, von denen ich auch einige gewinnen konnte. Möglicherweise war’s auch einfach so, dass ich durch den starken Fokus aufs Laufen im Winter zwar über 10km und Halbmarathon nach wie vor schneller wurde, meine Lanzeitausdauerqualitäten aber gelitten hatten. Die 50km bis zum Arbeitsplatz hab ich relativ oft versucht mit dem Rad zu bewältigen, allerdings war ich im Winter auch oft mit dem Auto schon 1,5h auf den Landstraßen unterwegs.
9 Tage vor Roth war dann Holland in Not, beim Volkslauf in Immighausen hatte ich schon kein gutes feeling mehr und hatte eine akute Metatarsalgie, ein Absinken des 2. Metatarsalköpfchens, das ist einfach gesprochen die Verlängerung des 2. Zehs, das führte dazu, dass ich praktisch nicht mehr auftreten konnte. Nach erfolglosen Versuchen mit Einlagen, die vor allem mit Pelotten Abhilfe schaffen wollten, startete ich letztendlich mit meinem eigenen Patent: 2 Einlegesohlen übereinander mit jeweils einem Loch unter dem 2. Metatarsalköpfchen.
Da stand ich nun also zum ersten mal in Roth, durch einen Stau nur knapp vor Registrierungsschluß am Vortag angekommen. Gemeldet war ich wohl ohnehin nur, weil ich erstmals einen Sponsor für mein Startgeld gefunden hatte – dachte ich zumindest….ein Fertighausunternehmen, eine dubiose Branche, wie ich noch feststellen sollte. Jede Menge Ärger, aber irgendwann haben sie Insolvenz angemeldet, meine ich…..
Jedenfalls kannte ich die Ergebnisse aus vielen Rennen der 90er Jahre von Roth. Und ich kannte die Namen der Leute unter 9 oder auch knapp über 9h. Und ich hatte einen gewissen Respekt, da schienen etliche Überflieger dabei zu sein. 92 oder 93 waren’s, glaube ich, mal so ungefähr 80 Leute unter 9h. Aber ich kannte damals sicher auch schon die Berichte der „triathlet“, in der mal ein Zitat von einem bekannten AK-Athleten stand(sinngemäß): „….sie fuhr die ganze Zeit an meinem Hinterrad, dann kam eine andere Gruppe vorbei, da war ich ihr dann zu langsam…“ die Dame kam auch unter 9h ins Ziel, dennoch war auch die triathlet recht unkritisch, denn was ich vor Ort erleben sollte, übertraf alles, was ich bis dahin kannte oder auch nur ahnte.
Damals gab es auch schon den Wellenstart in Roth, die Topgruppe und danach jeweils Gruppen mit 300 Leuten, meine ich. In der Vorwoche hatte ich fast nichts mehr trainiert, Laufen ging wohl ohnehin nicht, weiterhin war das Wetter auch ziemlich regnerisch und kalt. Für das Wochenende gab’s aber wohl Hoffnung, jedenfalls hatte ich, es war schließlich Anfang Juli, noch nicht mal Armlinge im Gepäck, ich glaub‘, ich hatte auch keine Weste oder ähnliches dabei. Am Vortag sagte man dann aber noch schönes Wetter mit 20 Grad und Sonne durch. Woran’s dann letztendlich gelegen hat, kann ich heute nicht mehr so genau sagen, es summierte sich halt, wie eigentlich immer: schlechte Vorspannung, vermutlich eine miese Ernährung in den Vortagen, beruflicher Streß, Kälte und Regen, was mir noch nie gelegen hatte (das redete ich mir wohl damals zumindest noch ein), schlechte Bekleidung…und dazu kam dann noch, dass ich nach schwachem Schwimmen irgendwann von einer 1. riesigen Gruppe aufgerollt wurde. „Ach so läuft das hier!“, dachte ich, fuhr aber weiter mein Rennen. In normaler Verfassung wäre ich ohnehin vornweg gefahren, aber „ich war nicht auf dem Platz“. Und dann kam die nächste Gruppe, und dann noch eine – man konnte sehr weit vorausschauen und ich sah auf den 500 Metern von mir bis zu der Riesengruppe vor mir gar niemanden, „von wegen es ist nicht möglich fair zu fahren“, dachte ich nur…
Dann kam wieder eine Gruppe und dann fuhr ich mal für ein paar km mit. Ich kann mich noch an die Rufe vom „fachkundigen Rother Publikum“ erinnern: „Lutscher, Lutscher!“. Aber das ist natürlich ein Witz, die Rufe waren vereinzelt, die Massen jubelten einem zu – dabei ist es eigentlich eine unterirdische Leistung, mit 20,30 oder 50 Mann starken Gruppen wie im Radrennen zu fahren, und das mit einem peinlichen 36er- oder 37er-Schnitt, dazu mit aerodynamisch optimiertem Material, einfach lächerlich! Ich lies dann irgendwann abreißen, aber jeder, der etwas Ahnung hat, weiß, dass das nicht hätte sein müssen. Da fährt man einfach etwas dichter auf, dann kommt man auch in der miesesten Verfassung noch mit. Später hielt ich dann an und schraubte irgendetwas an meinem Sattel rum, aus heutiger Sicht würde ich sagen: ich war ein Greenhorn und sollte es auch noch länger bleiben!

Ich bin dann noch losgelaufen, gab dann aber relativ schnell nach 2 oder 3km ohne Not auf, um mich für die nächste Langdistanz in Kulmbach zu schonen. Ergebnisse? Ja, das ist wieder so ein heikler Punkt: wenn Veranstalter oftmals noch nicht dazu in der Lage sind die Resultate des Vorjahres geschweige denn aller Resultate zugänglich zu machen, dann weiß man doch, was von so einem Schwachsinn wie „pain is temporary, glory is forever“ zu halten ist. Gefahren bin ich 5:35h oder so, geschwommen 53 oder 55min, auf jeden Fall viel zu langsam dafür, dass ich im Winter 240km in 3 Monaten geschwommen war. Roth? Extrem teuer, extrem unfair, ein extremer Hype, was soll ich hier? Als ich dann zum Auto zurückkam, hing dann auch noch ein Knöllchen dran – die ganze Stadt mal voll mit Touristen und Autos, da will jeder dran verdienen: „Ach so läuft das hier!“

Update
Zur Abwechslung auch noch etwas Positives über Roth, man hat die Ergebnisse dann irgendwann von Hand eingescannt und online verfügbar gemacht: Quelle Ironman Europe Roth 09.07.2000

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