Die großen Trainingsgeheimnisse im Kraulen: Innerhalb einer Woche extrem viel schneller werden!
Eine reißerische, aber nachweislich berechtigte Überschrift. Was ist dafür notwendig, eine Gegenstromanlage, jede Menge Plastik am Beckenrand, mind. eine Powerbar-Trinkflasche und 5 Riegel während des Trainings, ein Kraftraum, Rumpfkrafttraining, Dehnübungen, Laktatmessungen und Herzfrequenzen, ein eigener Arzt am Beckenrand?
Wir waren eine Woche in Katalonien, rein zufällig befand sich ein wunderbares Schwimmbad im Ort, an dem wir vom Montag bis Freitag jeweils von 1 – 3 Uhr schwimmen durften.
Nach meinem letzten Ironman am 05. September mit einer Schwimmzeit von 56:18min habe ich nicht mehr wirklich viel gemacht. Das erste Mal seit 22 Jahren hatte ich im Flieger kein Rad dabei, in den ersten Tagen hatte ich mir beim Laufen dann auch gleich wieder die Wade zerlegt. Dazu 27 Grad Wassertemperatur und das phantastische Schwimmbad, was gab es also Besseres als einen Schwimmblock einzulegen und mein liebstes Trainingsprinzip, das Prinzip der sprunghaften Belastungssteigerung anzuwenden?
Leider war es die Tage dann nicht ganz so sonnig, dennoch sehr angenehm zu schwimmen.
Ich hatte das ganze Jahr nun nicht wirklich seriös trainiert. Beim Schwimmen hat man aber immer den Vorteil, dass man mit relativ geringem Zeitaufwand recht schnell vorwärts kommen kann. Grundsätzlich ist es sicher so, dass eine gute Leistung beim Schwimmen im Triathlon den geringsten Aufwand darstellt. Was man aber dabei immer im Auge behalten sollte, ist die bewährte Faustregel: Für 95% des Ergebnisses braucht man nur 50% des Aufwands!
Die Ausgangssituation
Unabhängig von den Trainingsinhalten ist grundsätzlich wichtig, wie viel man trainiert hat.
Es gab sicher Jahre, in denen ich mehr trainiert habe, es gab aber viele Jahre, in denen ich im Schwimmen wesentlich weniger trainiert habe. 2007 habe ich mit Abstand am wenigsten und insgesamt nur 79km trainiert, bin bei den beiden Langdistanzen in Ffm und Köln aber immerhin noch eine 58er und 57er Zeit geschwommen. Man sieht daran, dass ich selbst bei praktisch nicht existentem Training nicht völlig wegbreche. Entscheidend ist dann aber, dass man zumindest zur richtigen Zeit trainiert. Hohe Trainingsumfänge im Winter haben einen gewissen Langzeiteffekt, aber wichtiger ist es in den letzten Wochen vorm Rennen präsent zu sein.
Um jetzt also innerhalb einer Woche sehr viel schneller zu werden, darf man vorher nicht allzu schnell gewesen sein. Wenn man konsequent trainiert und hohe Umfänge abreißt, dann ist es wesentlich schwieriger noch klar schneller zu werden, logisch.
Da ich oft Standardprogramme schwimme, habe ich gewöhnlich kein großes Problem Vergleichseinheiten zu finden. Da ich nicht regelmäßig trainiert habe, ist es hier etwas schwieriger:
Die Einheit vom 02.10. habe ich in meiner Trainingsdoku „nach 500m betont langsam“ genannt, was daraufhin deutet, dass ich nicht in der Lage gewesen wäre, dass ursprüngliche Tempo von gerade mal 8:04min über 500m problemlos zu halten. Dazu muss gesagt werden, dass ich an dem Tag schon etwas vorgeschädigt war, u.a. durch einen „Aqua Power“-Kurs direkt davor. Selbst wenn ich aber 10 oder 15 sec über 500m schneller gewesen wäre, zu dem Zeitpunkt wäre ich hintenraus deutlich weggebrochen, d.h. über 4000 oder 5000m wäre ich noch langsamer gewesen.
2000m am Stück in 31:59min war dann schon etwas besser, am Tag darauf aber wieder nur 8:02min über 500m, was evtl. dafür spricht, dass ich am Tag vorher eine etwas höhere Intensität hatte. Grundsätzlich zur Intensität: ich habe alle Sachen in einem mittleren Einheitstempo geschwommen, Grundlagenausdauer 1 (GA1). Ab und zu kann es dann mal etwas langsamer und schneller werden, aber den Trainingsfortschritt kann man so auch sehr gut feststellen. Den Fortschritt über max. Tests zu ermitteln ist mind. genauso fehleranfällig, diese kann man nicht ständig durchführen und man beschädigt dadurch auch die jeweilige Trainingseinheit. Es hängt natürlich auch von den Zielen ab, die man verfolgt. Als Triathlet ist es mein 1. Ziel, im „aeroben Bereich“ so schnell wie möglich zu schwimmen, ob und was dann anaerob noch kommt, ist mir relativ egal.
Gleich mal dazu, was die Zeiten im Triathlon wert sind: Anfang September war ich sicherlich noch etwas besser drauf und bin damit bei recht schlechter Sicht und daher mit wenig Wasserschatten noch eine 56er-Zeit mit Neopren geschwommen. Das liegt noch etwa im Schnitt meiner Ironmanzeiten, wobei das für mich psychisch immer schlecht war langsamer als 55min zu schwimmen. Entscheidender Punkt im Rennen ist immer der Wasserschatten. Hat man davon genügend, im Idealfall über 3,8km, dann kann man einige Minuten schneller sein. Zur Erläuterung ist noch folgendes wichtig: Es gibt Triathlon als Eventsport, das sind die meisten Teilnehmer. Und dann gibt es Triathlon als Leistungssport und da muss man klar sagen, dass alles, was bei den Männern langsamer als 52min schwimmt als Nichtschwimmer einzuordnen ist. Als Nichtschwimmer habe ich mich auch immer gesehen, es war mein taktisch größter Fehler das nicht behoben zu haben. Was aber auch keine technische Frage war, wie hier noch erkennbar sein wird.
3 Wochen zuvor war ich bei der Hessischen Meisterschaft über die halbe Distanz in Weilburg am Start. Wie ich mit dem insgesamt desolaten Ergebnis, dem mit Abstand schlechtesten meiner Karriere, 3 Wochen später noch halbwegs passabel ins Ziel gekommen bin, davon soll hier nicht die Rede sein. Wir konzentrieren uns auf die Schwimmzeit, die 6. Zeit von allen Männern, da meint der Laie wiederum, dass das nicht so schlecht ist. Wie oben angeführt ist dem aber leider nicht so, bei nur 151 Finishern ist man damit nicht mehr wirklich vorn dabei, über 3min Rückstand auf die beiden besten Schwimmer, naja. Die 56min 3 Wochen später sind sicherlich höher zu bewerten, wobei der Neoprenanzug in Weilburg verboten war. Das gilt zwar für alle, es ist aber aus verschiedenen Gründen so, dass ich mit Neopren praktisch allen anderen überlegen bin, die im Becken gleich schnell sind. D.h. umgekehrt, dass bei mir schon eine Durchgangszeit von 07:10 – 7:20min GA1 über 500m im Becken für 50min über Ironman reichen würde bzw. könnte.
Die Trainingswoche
Jetzt der Peak, in den 36 Tagen zuvor bin ich insgesamt 4,5km geschwommen:
Bei den Zeiten vom Crol Centre ist wichtig, dass die Zeiten auf der 50m-Bahn immer etwas langsamer sind als auf 25m. Da ich sehr wenig auf einer 50m-Bahn schwimmen konnte, kann ich das aus meinen Daten heraus nicht ganz exakt sagen, aber zumindest in meinem Fall schwimme ich die 1000m grob geschätzt vielleicht 50sec. langsamer, d.h. ziehe ich eine halbe Minute für das 500m-Intervall am 1. Tag ab, dann bin ich noch bei 7:48min, für 0 Training ist das nicht schlecht. Allerdings bin ich dann auch sofort weggebrochen und den 3. 500er schon über 8:40min geblieben. Hintenraus war also überhaupt nix drin, dementsprechend anstrengend war die Sache. Am anderen Tag ging es dann zunächst schon besser, dafür bin ich aber hintenraus noch mehr kaputt gegangen. Jetzt wäre so der Zeitpunkt, wo man Luft ranlassen und eine Trainingspause einlegen könnte. Da ich aber sonst nicht belastet war, Zeit hatte und wir vor allem nur den Mo-Fr schwimmen konnten, habe ich weiter durchgezogen. Am Mittwoch hatte ich schon leichte Schulterprobleme, habe meinem Neffen das Kraulen beigebracht und bin deshalb abends im Hallenbad über 25m nochmal geschwommen. Da waren die Zeiten auf 25m extrem langsam, aber das lag nicht allein an mir: das Bad ist einfach langsamer! Bitte nicht fragen wieso und warum, Badlänge, Wassertemperatur, Wasserqualität? Wichtig zu wissen ist, dass Bäder unterschiedlich schnell sind. Am Donnerstag bin ich dann schon eine Klasse besser geschwommen, am Freitag nochmal besser, man sieht also, dass man sich durchaus regenerieren kann, die Regenerationszeiten haben sich verkürzt, und auch die leichten Überlastungsbeschwerden waren nahezu weg. Klar war am Freitag aber folgendes: wenn ich jetzt Luft ranlasse, dann bin ich wenige Tage später wesentlich schneller.
Das Ergebnis
Das Ergebnis ist eindeutig. Da ich schon sehr lang dabei bin, habe ich auch genau dieses Ergebnis erwartet und bin überhaupt nicht überrascht. Annähernd 10% könnte man sagen, aber 10% von was? Deshalb bin ich vorsichtig mit Prozentzahlen, klar ist aber, dass ich den Ironman nach dieser Woche 5min schneller schwimmen könnte. Aufwand dafür noch nicht mal 10 Stunden, das ist für einen Ausdauersportler eigentlich ein Witz.
Jetzt nochmal so eine Woche einlegen und nochmal klar schneller funktioniert leider nicht. Hier kommt jetzt das zum tragen, was alle langjährigen Ausdauersportler wissen, der Quereinsteiger aber erstmal lernen muss: Je höher das Niveau, desto mehr kann man auch verlieren. D.h. man muss erstmal einen gewissen Trainingsumfang bringen, um das Niveau halten zu können.
Ein paar Eindrücke aus Katalonien, der Fachmann erkennt sofort, dass es sich ausschließlich um Schwimmer und nicht um Triathleten handelt, woran?
Hallo Peter,
toller Beitrag wie ich finde!
„Ein paar Eindrücke aus Katalonien, der Fachmann erkennt sofort, dass es sich ausschließlich um Schwimmer und nicht um Triathleten handelt, woran?“ Auch wenn ich kein Fachmann bin sage ich mal am Beinschlag bzw. dessen Frequenz erkennt man es. Du sprichst es ja oft an 😉
Gruß,
Olly
Danke, Olly! Und gut beobachtet, ist aber leider trotzdem falsch bzw. habe ich nicht gemeint. Gerade den Beinschlag versuchen viele Triathleten genauso hinzubekommen bzw. machen viele Triathleten auch genauso intensiv, sicherlich ein Fehler. Eine Konzentration auf das Wesentliche unter Berücksichtigung der eigenen Möglichkeiten und des Ziels würde da Abhilfe schaffen….
Daran kann man es also nicht sofort erkennen. Das deutlich höhere Tempo bei Schwimmern wäre irgendwo auch korrekt, meine ich aber nicht.