Nike Air Zoom Alphafly Next%: Kaufen oder nicht kaufen?
Fußdoping, Technodoping, Schuhdoping: der Nike Air Zoom Alphafly Next%
Bei den wichtigen Rennen wie der Leichtathletik-WM mit extrem hoher Leistungsdichte hat man quasi nur noch Läufer mit dem Nike Zoom Vaporfly 4% gesehen, das war für mich eindeutig, der Schuh ist schneller! Die IAAF hat ihn jetzt verboten, der nächste Nike-Treter Nike Air Zoom Alphafly Next% steht aber schon am Verkaufsstart, Danke Sebastian Coe!
Eine frühe Erkenntnis: Konkurrenzfähiges Material ist notwendig…
Es muss so um Weihnachten 1984 gewesen sein, Vereinsmeisterschaft Tischtennis. Weiß nicht mehr die Klassen, Schüler, Jugend? Keine Ahnung, ich war 12 Jahre alt und hielt mich zumindest in meiner Klasse mal wieder für den Besten. Das hatte ja auch seine Gründe, zwar grobmotorisch veranlagt, aber ich wollte besser werden, ich wollte mehr trainieren, das war nicht wirklich bei allen so. Einmal die Woche Training und selbst das ist meist ausgefallen, hust…..Damit kann man natürlich kaum besser werden, aber ich trainierte den Topspin allein daheim gegen eine Zimmertür (und genau den konnte ich dann besser als alle anderen)…..und wer mehr trainiert wird letzten Endes auch meist besser sein!
Ich war dann auch in den Ligaspielen die Nummer 1. Unsere Nummer 2 hatte dann aber irgendwann einen neuen Schläger mit einem 2.0er-Belag, den neuen Belag wollte ich natürlich auch. Ich kann mich noch erinnern, dass es dann hieß „viel zu schnell für Dich“, aber für die Vereinsmeisterschaft wollte mir unser Trainer endlich den neuen Belag auf meinen Schläger kleben. Den sollte ich am Tag X bekommen, war voller Vorfreude, Trainer brachte aber den unveränderten Schläger mit: „Hab den 1,5er drauf gelassen, zu riskant, Du musst Dich erst an den neuen Belag gewöhnen…“
Natürlich verlor ich das Finale haushoch. Nach dem Spiel lieh ich mir dann von irgendwem einen Schläger mit 2.0 auf der Vorhand, durfte noch einige Schläge gegen den neuen Champion spielen und war, für mich keine Überraschung, mit meinem Topspin wieder obenauf….
Nicht, dass das irgendwie wichtig gewesen wäre, aber ich kann mich an meinen betröppelten Gesichtsausdruck als Verlierer auf dem obligatorischen Pressefoto erinnern. Im Film würde man sagen: „Niemals zuvor und auch niemals danach hab ich je wieder gegen die Nummer 2 verloren.“
Eine frühe Lehre, wie wichtig konkurrenzfähiges Material im Sport ist!
Marketing hin oder her: das Material ist heute klar besser!
Ganz krasses Beispiel: die vielen Medaillen des deutschen Bob- und Schlittensportverbandes, Materialdoping für Länder, die sich das leisten können und wohl nötig haben, hust……
Beim Triathlon fällt es nun langsam auch dem Letzten auf, dass man die Komponente Material nicht unterschätzen darf. Insbesondere beim Ironman noch wichtiger. Wenn man 15min schneller fährt, dann ist man ja nicht nur schneller auf dem Rad. Durch den geringeren Energieverbrauch auf dem Rad ist man auch beim Laufen schneller und das kann teilweise deutlich sein! Hat einen früher bei sehr guter Renneinteilung und Fitness der finale Hungerast erst bei km35 erreicht, dann trifft es einen heute nochmal wesentlich später.
Auch Kurzdistanzler auf Spitzenniveau sitzen oft noch recht ulkig auf dem Rad, dabei braucht es noch nicht mal Bikefitting. Mit dem 5er-Inbus nach Hügi die Sattelhöhe eingestellt, Körpergröße x 0,47 x 0,88= passt. Sattel waagrecht, vielleicht etwas vor für Sprinter, vielleicht etwas zurück für Rouleure, Vorbau abgestimmt, fertig!
Auf Langdistanz sieht man das nicht, denn dort ist das Radfahren, im Gegensatz zur Kurzdistanz, rennentscheidend.
Warum gibt es inzwischen so viele schnelle Zeiten über Ironman?
Ja, man konnte früher auch schnell fahren, 4:14h auf 26-Zoll-Rädern, was allein schon den Unfug von den dramatischen neuen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen widerlegt.
Bin zum Glück nicht der Einzige, der das so sieht.
Agreed. It’s a myth that there’s largely been any progress in nutrition or training the last 30-50 years which would materially contribute to athletes being better. Re-skinned principles more than anything. Tech advances, however, is another story. And more potent PEDs.
— Orion Coaching (@ORION_coaching) November 14, 2019
Wie stark welche Komponente reinspielt ist Spekulation und einen eigenen Artikel wert, es waren und sind ja nicht nur Streckenlänge auf veränderten Kursen, Höhenmeter, Temperatur und Wind, die die Zeiten stark beeinflussen, sondern auch der Windschatten von Konkurrenten, von Teamkollegen, von Kamera-Motorrädern, von Kampfrichtern, EPO in den 90ern usw.. Fakt ist, nicht nur die Rahmen sind heute durch die Totalintegration schneller, sondern auch Laufräder, Reifen, Schaltwerke, die geringeren Reibungswiderstand versprechen, dazu die Bekleidung, es summiert sich….
„Never change a Running-Schuh, solange alles problemlos läuft.“
Trotzdem hindert einen das nicht daran einen klaren Blick dafür zu haben, was einen selbst deutlich voran bringt. Und das ist in den allermeisten Fällen eben nicht das letzte Quäntchen Hightech. Ein Cervelo P5 spart nur dann 5 Watt ein, wenn ich auch die Position das ganze Rennen fahren kann. Fahre ich aufrecht, kann ich gleich mit einem Alu-Rennrad fahren bzw. sollte an den Dingen arbeiten, die mich wesentlich mehr begrenzen. Das ist oftmals eine miese Position auf dem Rad, aber auch die fehlende Ermüdungswiderstandsfähigkeit der Muskulatur. D. h. wenn ich beim Ironman in der 1. Stunde problemlos in Position fahre, in der 2. Runde aufrecht, dann liegt das an der verkürzten Muskulatur nach einigen Stunden Rennzeit. Da hilft ein Bikefitting nur bedingt, da hilft auch kein Yoga, da hilft aber immer mehr Radtraining.
Genauso ist es mit den Schuhen, es ist aber vorhersehbar was passieren wird. Viele werden versuchen mit den Schuhen die 50min-Marke über 10km zu durchbrechen. Dabei braucht es dafür kein Hightech, keine ausgetüftelten Trainingspläne, keine neuen sportwissenschaftlichen Erkenntnisse, keine Leistungsdiagnostik, keine Nahrungsergänzungsmittel, keine Funktionsmaterialien. Mit einer 20%-igen Erhöhung des Umfangs wird jeder schneller und diese 20% sind bei 99,9% auch möglich. Und 5 % der Läufer wissen das auch….
Vielleicht läuft man mit dem neuen Schuh schneller, vielleicht aber auch nicht, dazu ist ein neuer Schuh, ein völlig neues Konzept immer auch ein Risiko für Verletzungen, d. h. das kann gewaltig nach hinten losgehen….
…und warum man nicht wegen der vermeintlich schnelleren Strecke in Berlin laufen sollte
Nehmen wir an, wir haben einen Läufer aus Frankfurt, der hart an der 2:30h-Marke ist und diese endlich knacken will. Der kann natürlich auch mehr trainieren, aber vielleicht ist er kein Läufertyp, 1,90m und dementsprechend schwer, vielleicht ist er auch Triathlet, d. h. trainiert schon mehr als ein kleiner „echter 2:30h-Läufer“.
Für ihn könnte es Sinn machen in Berlin zu starten, die Strecke ist evtl. einen Tick schneller, die Konkurrenz ist größer, d. h. er kann auch länger in einer Gruppe laufen, er wird in Berlin eine bessere Chance haben unter 2:30h zu laufen.
Im Vergleich dazu jemand, der unter 4h bleiben will. Mein dringender Rat: „Grober Unfug deswegen in Berlin zu laufen! Lauf in Frankfurt, allein der Anreisestress und der gebrochene Trainingsrhythmus, die fehlende gewohnte Umgebung können schon dafür sorgen, dass du nicht 3min schneller, sondern 10min langsamer läufst, die 30sec schnellere Strecke spielt keine Rolle, Windschatten gibt es in dem Bereich in Frankfurt genauso. Der 2:30h-Mann hat die Einflußfaktoren viel besser im Griff als du, kann seine Leistung aus den letzten Rennen fast identisch wieder abrufen, du kannst das nicht, möglicherweise geht dir in Berlin auch nur der Wille früher aus, weil Du durch de Rumrennerei und das frühere Aufstehen etwas müder bist. In Frankfurt holst du dir 2 Tage vorher die Startnummer, gehst entspannt an den Start und mit Glück und erst später aufkommendem Wind wirst Du auf der Mainzer Landstr. ins Ziel geschoben….“
Wie im Triathlon gilt: Die Zeit mag besser sein, die Leistung nicht!
Ja, der 2:30h-Läufer wird mit den neuen Tretern nun auch in Frankfurt unter 2:30h bleiben.
Die Bestzeit wird besser sein, die Leistung aber eben nicht! Es wird nie so krass sein wie beim Triathlon, wo ich dann immer sage: „Ja, er ist 4:50h gefahren, aber das sagt nichts über die Leistung aus, kann eine sehr gute Leistung sein, kann genauso relativ wenig wert sein, mit einer exakten Analyse der Ergebnisse sehen wir klarer.“
Sollte man sich nun also die Schuhe kaufen? Moralisch will ich das nicht beurteilen, als Trainer von sehr schnellen Läufern könnte man allein schon dazu raten, um Chancengleichheit wieder herzustellen. Beim durchschnittlichen Läufer könnte man aber genauso fragen: sollte ich mir ein Auto mit 400 PS kaufen, wenn ich nachmittags um 5 schnell von Mainz nach Frankfurt kommen will? Kann man probieren, der eigentliche Begrenzer ist aber ein anderer!